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Mort-Musical in Hamburg
Hamburg 15. November – der Tag der Premiere der Musicalinszenierung von Terry Pratchetts Roman Gevatter Tod. Ich habe mich bereit erklärt, dem NDR für ein Interview zu Verfügung zu stehen und bin deswegen etwas früher an der Markthalle, wo wir zufällig Tim Kreuer, treffen, der gleich die Rolle von Mort spielen wird. Er erzählt, dass es Probleme mit den Proben und dem Bühnenbild gab. Das Bühnenbild war zu groß, so dass die Beleuchtung keinen Platz mehr hatte und musste im letzten Moment überarbeitet werden. Auch die Proben waren gegen Ende noch zeitaufwändiger als zuvor. Die letzten Abende wurde bis nachts um Zwei geprobt. Ich bin zunehmend neugieriger, ob sich die weite Anreise aus Berlin gelohnt hat und ich eine gelungene Inszenierung sehen werde, oder ob all das zusätzliche Proben der Schauspieler nichts genutzt hat und ich die Fahrt bereuen werde.
Der Vorverkauf lief schleppend. Die wenigen Fans, die auf Einlass warteten machten mich besorgt, dass das Musical vor einer mehr oder weniger leeren Markthalle vorgeführt werden würde. Bei Beginn um acht Uhr ist der Saal jedoch gut gefüllt.
Bei Nebel, unter blitzenden Lichtern und mit gespenstisch blau funkelnden Augen tritt Tod schließlich auf die Bühne, breitet eine Karte der Scheibenwelt aus, sucht für einen Moment und findet letztendlich den Ort den er gesucht hat. Rapider Szenenwechsel und wir finden uns in dem kleinen Dorf Schafrücken wieder, wo Mort, nur mit einem Sack bekleidet, erfolglos nach einer Anstellung sucht. Mort drückt seine allumfassende Wissbegier in einem Lied aus, bevor Tod ihm schließlich – erneut mit einem beeindruckenden Auftritt aus dem Nebel – einen Ausbildungsplatz anbietet.
Hier und in allen anderen Szenen ist das Musical erstaunlich textgetreu. Der Fan erkennt nicht nur die allgemeine dargestellte Situation aus dem Buch, sondern findet in den Dialogen und Liedern wörtliche Zitate ganzer Textpassagen wieder. Nur kleinere Anpassungen wurden vorgenommen. So soll Mort hier nach den Vorstellungen seines Vaters Bauer auf der Farm seines Onkels werden, sondern eine Ausbildung zum Müllkehrer antreten. Der Ritt auf Binky und der Besuch in Ankh-Morpork werden nicht bildlich dargestellt; der Zuschauer hört nur die Stimmen von Tod und Mort und erfährt so, was sich zwischen dem Verlassen von Schafrücken und dem Eintreffen in Tods Heim ereignet. Einige wenige Textstellen wurden ganz ausgelassen, so zum Beispiel Morts Erlebnisse mit dem Genuss von Knieweich oder in den Schatten, sowie einige der „Freizeitbeschäftigungen“ Tods. Ereignisse, die sich nicht durch die Schauspieler darstellen ließen, wie das rasche Herannahen der historischen Realität nach Morts folgenschwerem Fehler, werden sehr gut durch Leierkastenspieler erklärt.
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Die Schauspieler waren gut ausgewählt und entsprachen zum Großteil meinen Vorstellungen von den Charakteren. Mort stolpert in den Anfangsszenen wie von Terry beschrieben über die Bühne. Astrid Köhler nimmt man die Rolle der pummeligen und von ihrer ewigen Jugend frustrierten Ysabell ohne Weiteres ab. Nur wenig war wirklich zu kritisieren. So habe ich zum Beispiel nicht verstanden, warum Sterbenden volle Lebensuhren gezeigt werden und ich bin mir ziemlich sicher, dass der ewig an Alberts Nase hängende Tropfen nicht an eine Nudel erinnert. Auch das Ende wurde leicht abgeändert, so ist etwa von einer Taufe die Rede; nur eine Anspielung auf Rollende Steine oder etwa gar auf eine Fortsetzung? Wünschenswert wäre es allemal...
Die Musik ist wie die in den meisten anderen Musicals und damit für mich als nicht-Musikerin schwer einzuordnen. Sie ist nicht eindeutig rockig und entgegen den Befürchtungen einiger Clubmitglieder auch kein Hip-Hop. Das Intro, das man auf der Webseite des Musicals runterladen kann bietet einen guten Einblick, auch wenn es ebenso langsamere und traurigere Lieder gibt, zum Beispiel als Mort auf Keli trifft oder Ysabell ihren Wunsch ausdrückt endlich erwachsen zu werden. Man merkt dem Musical deutlich an, dass die Texte und Lieder von Pratchettlesern geschrieben worden sind und sich stark am Roman orientiert wurde. Aber es finden sich auch zahlreiche Anspielungen an deutsche Schlager („Mit 66 Jahren...“) oder andere Kulturstücke fern der Insel. Doch diese wurden so geschickt mit dem britischem Humor verflochten, dass dies überhaupt nicht stört. Und generell wird zwar für ein Musical viel gesprochen und dementsprechend nicht ganz so viel gesungen, jedoch ist die Inszenierung eindeutig ein Musical und daher nichts für Musicalhasser. Alle anderen waren jedoch, soweit ich es beurteilen konnte, begeistert. Ich war es jedenfalls.
Gevatter Tod ist ein Buch, das sich anbietet als erstes Scheibenweltbuch gelesen zu werden, da es eine gute Einführung in die Scheibenwelt bietet. Ähnlich verhält es sich auch mit dem daran angelehnten Musical. Der Inhalt und der Humor sind auch von Zuschauern nachzuvollziehen, die noch nie etwas von Terry Pratchett gelesen haben. Das Musical hat nämlich nicht nur mich begeistert, sondern auch meine Pratchett-unkundige und in Hamburg ansässige Begleitung – und zwar so sehr, dass sie sich das Musical noch ein zweites Mal anschauen wird und sich von mir das Buch ausgeliehen hat.
Es bleibt zu hoffen, dass wir bald wieder mit einer so grandiosen Inszenierung beglückt werden, dann allerdings hoffentlich an einem Ort, der über eine bessere Akustik verfügt, die der Markthalle wurde weder den Darstellern noch der Aufführung gerecht. (Hobel)
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